Solar-Selbstbau im Mehrfamilienhaus.
Vor einigen Monaten haben wir den ersten Teil eines Artikels zum Thema Solar im Mehrfamilienhaus (im Stockwerkeigentum) publiziert. Der erste Teil vermittelte die Grundlagen zu Solarprojekten und mögliche Umsetzungsvarianten am Beispiel eines Projektes in meinem eigenen Haus. Damals standen wir vor der Wahl zwischen folgenden Anbietern:
- Grossfirmen (zb. Schweizer Marktführer, oder internationale Anbieter)
- Lokalen Kleinfirmen (KMU)
- Selbstbau mit Hilfe einer Energiewenden Selbstbau-Genossenschaft (EWG) (oft auch Mitmach-PV, PV-Nachbarschaftshilfe oder PV-Eigenbau genannt)
- Selbstbau in Eigenregie
Wie der Titel dieses Artikels schon verrät, haben wir uns für die Umsetzung im Selbstbau, und zwar mit Unterstützung einer Selbstbaugenossenschaft entschieden (Variante 3).
Entscheid zum Selbstbau mit einer EWG
Wir holten (Anfang/Mitte 2023) Angebote von einem Grossanbieter, zwei KMU, und einer EWG ein. Die Kosten variierten zwischen 2600 und 1600 CHF pro kWp, wobei das EWG Selbstbau Angebot das günstigste war.
Die Angebote unterschieden sich nicht nur im Preis, sondern auch in anderen Faktoren, insbesondere in der installierten Leistung zwischen 30 kWp und 46 kWp! Der grosse Unterschied erklärt sich dadurch, dass unser Flachdach eine zweistufige Fläche und eine leicht geschwungene Form hat, zudem einige Aufbauten und ein fest installiertes Sicherheitsseil. Die “konservativsten” Angebote deckten hier nur die minimale zentrale Fläche innerhalb der Sicherheitsseile ab. Die Angebote mit mehr kWp versuchten, die gesamte Fläche optimal zu nutzen.
Weitere Punkte die beim Vergleich der Offerten wichtig sind:
- Sind alle notwendigen Leistungen eines Elektrikers inbegriffen?
- Ist ein Energiemanager und Einrichtung der Eigenverbrauchssteuerung (Ladegeräte, Wärmepumpe, etc.) inbegriffen?
- Wird die Dachbedeckung (Gründach Substrat/Kies etc.) berücksichtigt?
Hier war es teilweise recht kompliziert zu verstehen, was genau im Angebot inbegriffen ist und was nicht, und bedurfte mehrfacher Rückfragen bei den Anbietern.
Am Ende haben wir uns für das Angebot der EWG Zürichsee mit der grössten und (vor allem auch Dank Selbstbau Eigenleistungen) günstigsten Anlage (pro kWp) entschieden.
Die Idee zum Selbstbau mit EWG kam von einem meiner Nachbarn. Ich war Anfangs vor allem wegen des nötigen Zeitaufwands zum Bau etwas skeptisch (zudem schien mir der Aufwand etwas konservativ geschätzt), andererseits aber auch neugierig eine Anlage selber zu installieren. Ausserdem ist es ein grossartiges nachbarschaftliches Projekt, das auch hilft, sich besser kennenzulernen. Zur Erinnerung: beim Selbstbau mit Hilfe einer EWG wird die gesamte Projektleitung, die Bestellung der Materialien, der Anschluss der Anlagen etc. von der EWG übernommen, die Käufer helfen einfach bei der Installation der Panels und einigen anderen Arbeiten.
Bau der Anlage
Ende August war es soweit: die Materialien wurden angeliefert und ein Sicherheitsgerüst inklusive Treppe zum einfachen Dachzugang wurde von einer Gerüstbaufirma installiert.
In einem nächsten Schritt reinigten wir das Dach von Unkraut und legten ein spezielles Vlies aus, das die weitere Unkrautbildung verhindert. 1 Danach wird das Material (inkl Panels) von einem Kran aufs Dach gehievt.
Nach einigen Tagen Pause beginnt die Installation der Unterkonstruktion (K2-Systems Dome 6). Jetzt wird auch das ganz genaue Layout vor Ort noch einmal ausgemessen und angepasst. Die Unterkonstruktion auf dem Flachdach wird übrigens nicht etwa am Dach verschraubt, sondern mit Gewichten (einfachen Gartenplatten) fixiert.
Nach der Unterkonstruktion folgen die Panels. Das Anschrauben der Unterkonstruktion und der Panels ist recht einfach und kann nach kurzer Anweisung von Laien ausgeführt werden. Sogar mein 8-Jähriger Sohn konnte bei einigen Arbeiten mithelfen! Die Kabelverbindungen werden vom Projektleiter der EWG gemacht bzw. Kontrolliert, aber auch hier sind es einfache Steckverbindungen.
Die Hauptarbeiten werden in ca. einer Woche umgesetzt, wobei nebst dem Projektleiter immer mindestens zwei Personen vom Haus mithelfen, oft auch drei oder vier. Auch in der Woche vor und nach der Installation sind einige Personen mehrere Tage mit Vor- und Ergänzungsarbeiten beschäftigt.
In unserem Fall haben wir uns entschieden, das Vlies am Rand noch mit normalem Kies abzudecken. Diese Arbeit stellte sich als sehr zeitintensiv heraus! Ein Gründach mit Substrat ist also auf jeden Fall ein zusätzlicher Umstand bei der Installation von Solar.
Nach der eigentlichen Installation der Panels folgten ca. 3-4 Wochen Pause, bevor die Elektroinstallationen ausgeführt wurden. Ursprünglich geplant waren 1-2 Wochen wegen Urlauben, aber durch eine Kombination von Krankheitsfällen im Team und Terminschwierigkeiten beim Elektriker war die Anlage erst Ende Oktober vollständig angeschlossen.
Die Elektroinstallation wird übrigens bis zum Inverter (DC) von der EWG vorgenommen, ab Inverter (der AC Teil) vom Elektriker. Es lohnt sich, auch die Elektriker Angebote zu vergleichen, bei uns gab es Kostenunterschiede von 100% bei den Angeboten! Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Elektroinstallation ist, dass in der Schweiz ab 30 kWp Anlagengrösse ein sogenannter Externer NA Schutz (Netz- und Anlagenschutz) Pflicht ist, dessen Installation recht kostspielig ist.
Abrechnung des Solar Stromverbrauchs im Mehrfamilienhaus (ZEV)
Da wir in einem Mehrfamilienhaus leben, stellt sich die Frage der Abrechnung des verbrauchten Solarstroms in den einzelnen Wohnungen. Wie schon im ersten Artikel zu unserem Projekt erläutert, wird dies in der Schweiz mit einem sogenannten ZEV (Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) umgesetzt. (Mieterstrom in Germany, Gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen, GEA in Austria).
Für einen ZEV in der Schweiz kann man entweder mit einer Software von einem Drittanbieter oder mit dem lokalen Energieanbieter zusammenarbeiten, falls dieser diese Leistung anbietet. Wir haben uns für die letztere Variante entschieden. Bei unserem lokalen Energieanbieter ist die einmalige Installation recht günstig, die Abrechnungskosten sind CHF 0.02 pro kWh eigenverbrauchten Solarstroms. Das ist nicht billig, aber nach meinen Berechnungen günstiger als die Totalkosten von typischen Drittanbietern über 20-25 Jahre. Ausserdem haben wir keine lange Vertragsbindung, wir können jederzeit wechseln. Leider hat unser Energieanbieter Schwierigkeiten die nötigen Smart Meter zu beschaffen, sodass die Installation erst im Q1 2024 erfolgt. Bis dahin wird der gesamte generierte Strom ins Netz eingespeist. Sobald die Lösung installiert wird, erfolgt die Abrechnung direkt auf unserer normalen Stromrechnung für jede Partei, das heisst, es gibt keine zusätzlichen Rechnungen und auch keinen Verwaltungsaufwand.
Energiemanagement und Eigenverbrauchsoptimierung
Selbstverständlich interessiert mich als Mitgründer des Zerofy Home Energy Management Systems (HEMS) das Thema Energie Management und Eigenverbrauchsoptimierung ganz besonders. In unserem Fall ging es um:
- Ansteuerung von 3-4 Elektroautos bzw. Ladestationen (Zaptec und Tesla)
- Ansteuerung einer Hoval Wärmepumpe (Heizung und und Brauchwasser-Boiler). Allenfalls Ansteuerung des Boiler Heizstabes.
- Allenfalls Ansteuerung einer zentralen Luftentfeuchtungsanlage im Keller
Was mich in diesem Bereich erstaunt hat, war, wie viel Zeit es kostete, all die relevanten Informationen und Optionen mit den einzelnen Herstellern zu diskutieren. Ich werde über die genaue Ansteuerung der Verbraucher und einige Daten in einem separaten Artikel berichten.
Die Verbindung der Verbraucher, insbesondere der Wärmepumpe, erfolgte Anfang Dezember. Insgesamt erstreckte sich das Projekt ũber gut 2.5 Monate.
Kosten
Die gesamte 46 kWp Anlage hat uns (6 Parteien) ca. 72’000 CHF gekostet, also rund 1560 CHF / kWp vor Subventionen. Die Subventionen werden (Pronovo (national) + Gemeinde) ca. 20k CHF sein, also reduziert sich das Investment auf ca. CHF 1100 / kWp nach Subventionen. Und damit ca. CHF 0.05 / kWh Stromkosten bei 25 Jahren Laufzeit.
Es ist zu beachten, dass wir die Angebote bzw. Panels Anfang/Mitte 2023 bestellten. Die Panel Preise sind sehr dynamisch und inzwischen noch einmal gefallen. Auch wichtig anzumerken ist, dass die EWG eine niedrige Marge auf den Panels hat und diese transparent im Angebot aufführt. Viele Anbieter haben recht hohe Margen auf den Panels und dies sind für den Laien nicht direkt sichtbar.
Fazit
Abschliessend kann ich die Installation einer Solaranlage mittels durch einer eine EWG unterstützten Selbstbau auf jeden Fall empfehlen, sofern es genug “Mitmacher” gibt.
- Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert und den nachbarschaftlichen Zusammenhalt gestärkt
- Es macht wirklich Spass mit den eigenen Händen am Projekt zu arbeiten
- Die Zusammenarbeit mit der EWG war entspannt und reibungslos
Einige Dinge, die mich überraschten, oder auf die man achten sollte:
- Es ist für mich erstaunlich, wie sehr jedes Solarprojekt noch immer eben ein “Projekt” und eben noch kein skaliertes Produkt ist. Es gibt jede Menge Details zu klären. Meines Erachtens muss man sich als Besitzer doch etwas in die Materie einlesen.
- Je nach Grösse der Anlage ist es “mit einem Wochenende Arbeit” nicht getan, man muss genügend Zeit und/oder Hilfe einrechnen.
- Es gab verschiedene “Pausen” im Projektablauf, aus verschiedenen Gründen.
- Das Thema Solar-Eigenverbrauch scheint bei vielen Geräteherstellern noch nicht fest im Standardangebot verankert zu sein.
Falls Euch dieser Artikel hilfreich war, und Ihr Euch auch für Energiemanagement im Haushalt mit Solar interessiert, dann schaut Euch doch auch mal unsere App Zerofy an:
Links
Energiewende Genossenschaften in der Schweiz (EWG)
Weitere Schweizer solargenossenschaften
Solar Selbstbau/Nachbarschaftshilfe in Deutschland
Beitrag im Schweizer Fernsehen zum Selbstbau
Fussnoten
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Dies war bei uns nötig, da wir ein Gründach mit Substrat haben. Besonders unter den Panels würde es hier Schatten und Feuchtigkeit geben, und die Pflanzen würden besonders gut wachsen. Man hat zwei Optionen dies zu verhindern: ein spezielles Vlies (in unserem Fall DuPont Plantex Platinum Solar) oder das Substrat absaugen und durch Kies ersetzen. Letzteres ist recht kostspielig. Andererseits hat auch ein Anbieter vom Vlies abgeraten, aufgrund schlechter bzw. mangelnder Langzeiterfahrung. ↩